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Einseitige Anordnung von Kurzarbeit im individuellen Arbeitsverhältnis

Auch wenn die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld erfüllt sind, ist eine einseitige Anordnung der Kurzarbeit gegenüber dem Arbeitnehmer nur bei Bestehen einer rechtlichen Grundlage möglich. In einem aktuellen Urteil hat das Arbeitsgericht Stuttgart jedoch entschieden, dass eine Änderungskündigung mit dem Ziel, Kurzarbeit zu ermöglichen, gerechtfertigt sein kann.

Sachverhalt: Corona-bedingte Kurzarbeit

Geklagt hatte eine seit 2011 im Bereich Soziales und Pflege bei der Betreiberin B tätige Angestellte (A). Nachdem es Mitte März 2020 zu einer vorübergehenden Schließung der Kindergärten und Kindertagesstätten kam, zeigte die B gegenüber der Arbeitsagentur einen Arbeitsausfall in ihrem Betrieb an. Rückwirkend zum 1.4.2020 wurde von der Arbeitsagentur Kurzarbeitergeld bewilligt. Die A verweigerte jedoch die Zustimmung zur Einführung der Kurzarbeit. Am 22.4.2020 sprach die B die fristlose sowie hilfsweise die ordentliche Änderungskündigung zum 31.7.2020 aus. Mit dieser sollte die B berechtigt werden, für die Zeit vom 18.5.2020 bis voraussichtlich 31.12.2020 Kurzarbeit anzuordnen, sofern ein erheblicher Arbeitsausfall bestehe und sämtliche weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung von Kurzarbeitergeld gem. §§ 95 ff. SGB III vorlägen.

Voraussetzungen und Abwicklung der Anordnung von Kurzarbeit

Sofern weder in den Arbeitsverträgen noch in geltenden Betriebsvereinbarungen oder – auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden – Tarifverträgen festgehalten ist, dass Kurzarbeit möglich ist und durch den Arbeitgeber angeordnet werden darf, ist die ergänzende vertragliche Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. Stimmt dieser der Kurzarbeit nicht zu, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, dem Mitarbeiter weiterhin seine vertraglich vereinbarte (volle) Arbeitsvergütung zu zahlen.

Eine Alternative zu der erforderlichen Zustimmung stellt die Änderungskündigung dar, wonach mit der Kündigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses gleichzeitig eine Weiterbeschäftigung zu neuen, geänderten Konditionen angeboten wird. Dies eröffnet dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, ganz aus dem Betrieb auszuscheiden oder aber unter den geänderten Bedingungen weiter zu arbeiten. Aufgrund der zu wahrenden Kündigungsfristen von z.T. mehreren Monaten ist eine ordentliche Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit jedoch wenig zweckmäßig. Eine fristlose Änderungskündigung würde diesem Umstand Abhilfe schaffen, dafür müsste aber auch den bislang stark erhöhten Anforderungen genügt werden.

Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat in seinem Urteil vom 22.10.2020 (Az.: 11 Ca 2950/20) die Begründung der fristlosen Änderungskündigung mit der Einführung von Kurzarbeit erstmals ausdrücklich bejaht. Erforderlich zur Begründung der Fristlosigkeit der Änderungskündigung seien:

  • die Wahrung einer Ankündigungsfrist für den Beginn der Kurzarbeit (hier: drei Wochen ausreichend);
  • eine ordnungsgemäße Sozialauswahl unter den in Betracht kommenden Mitarbeitern (d.h.: Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld nach dem SGB III liegen jeweils auch in der Person des Arbeitnehmers vor);
  • die Begrenzung der Dauer der Kurzarbeit;
  • das Nichtvorhandensein milderer Mittel (zum Nachweis ist insbesondere ein Versuch notwendig, vor der Kündigung eine individuelle Absprache mit der Beschäftigten zu erreichen).

Hinweis: Zu beachten ist, dass diese AG-Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist und die Bestätigung durch das zuständige Landesarbeitsgericht als Rechtsmittelinstanz und ggf. das BAG noch abzuwarten bleibt.

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