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Verfassungswidrigkeit zu hoher Steuerzinsen – Konsequenzen der Finanzverwaltung

Im Juli 2021 hatte das BVerfG die gesetzliche Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen von 6% pro Jahr ab 2014 als verfassungswidrig eingestuft. Die Finanzämter dürfen den 6-%-Satz demnach nur noch für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 31.12.2018 weiter anwenden. Für darauffolgende Verzinsungszeiträume hat das BVerfG den Gesetzgeber verpflichtet, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Das Landesamt für Steuern Niedersachsen (LStN) hat sich bereits im September zu den Konsequenzen dieser Rechtsprechung geäußert (aktuell bestätigt durch BMF-Schreiben vom 29.11.2021).

Die BVerfG-Rechtsprechung betrifft demnach nur Nachzahlungs- und Erstattungszinsen, nicht jedoch Stundungs-, Hinterziehungs-, Aussetzungs- und Prozesszinsen. Anträge wegen Verfassungswidrigkeit solcher Zinsen werden die Finanzämter daher ab sofort wieder ablehnen. Im Ergebnis müssen diese Zinsen vom Steuerzahler entrichtet werden. Zinsfestsetzungen für die Zeit bis zum 31.12.2018, die bislang wegen der ausstehenden BVerfG-Entscheidung noch vorläufig waren, sind nun als endgültig anzusehen. Bislang ausgesetzte Beträge müssen gezahlt werden. Für die Zeit ab 2019 dürfen die Finanzämter momentan „neue“ Zinsen nicht mehr verlangen, sondern müssen abwarten, welche Neuregelung der Gesetzgeber zur Verzinsung von Nachzahlungen trifft. Bundestag und Bundesrat haben hierfür bis zum 31.7.2022 Zeit. Sie können die Neuregelung auch rückwirkend ab 2019 in Kraft setzen. Endgültige, nicht mehr änderbare Zinsfestsetzungen für Zeiten ab 2019 sind wegen der sog. Bestandskraft solcher Bescheide hiervon grundsätzlich nicht betroffen.

Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber sollen die Finanzämter bei Zinsfestsetzungen für die Zeit ab 2019 mit vorläufiger Wirkung gem. Vorgaben des LStN wie folgt verfahren:
(1) Neu zu erlassende Bescheide mit erstmaliger Festsetzung von Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen werden von vornherein in Bezug auf diese Zinsen vorläufig „auf null“ gesetzt, bis der Gesetzgeber die Ersatzregelung geschaffen hat und das Finanzamt diese sodann auf die Fälle (ggf. rückwirkend) anwenden kann.
(2) Bescheide, die vor der BVerfG-Entscheidung ergangen und vorläufig sind, bleiben grundsätzlich weiterhin vorläufig, solange sie von keinem der Beteiligten „angefasst“ werden. Sobald der Gesetzgeber die neue Ersatzregelung getroffen hat, werden die Finanzämter diese Änderungen eigenständig und grundsätzlich ohne weiteren „Anstoß“ des Steuerzahlers von sich aus vornehmen.
(3) Bei Bescheiden, die vor der BVerfG-Entscheidung ergangen sind und jetzt – aus welchen Gründen auch immer – geändert werden müssen, kommt es darauf an, ob sich durch die Änderung für den Steuerzahler eine Nachzahlung ergibt oder ob ihm etwas zu erstatten ist. Bei einer Nachzahlung wird das Finanzamt die diesbezüglichen weiteren Zinsen (wie bei den Neufestsetzungen) vorläufig „auf null“ setzen. Bei einer Erstattung wird das Finanzamt die insoweit zu viel gezahlten Zinsen miterstatten.

Hinweis: Zur Thematik siehe auch die Allgemeinverfügung der Länder vom 29.11.2021. Die oben beschriebene Differenzierung der Vorgehensweise für Zinsfestsetzungen bis zum 31.12.2018 bzw. ab 2019 wird darin bestätigt.

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