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Ermittlung des „fairen“ Unternehmenswerts: Anpassungen bei erhöhter Unsicherheit

Die Bewertung von Unternehmen führte schon bisher häufig zu Auseinandersetzungen um den „richtigen“ oder „fairen“ Wert. In Zeiten des Ukraine-Kriegs, der hohen Inflation, steigender Zinsen und zunehmender Marktvolatilität gewinnen die Ermittlungsprobleme noch mehr an Bedeutung.

Einführung

Die aktuellen Marktbedingungen führen dazu, dass eine große Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Entwicklungen herrscht und zahlreiche Unternehmen nicht in der Lage sind, verlässliche Prognosen für die nächsten Jahre zu treffen. Zukünftige Entwicklungen bilden jedoch bei den vorherrschenden Bewertungsmodellen wie dem Ertragswertverfahren oder den Discounted-Cashflow-Verfahren die Grundlage für die rechnerische Ermittlung des Unternehmenswerts. Es stellt sich die Frage, ob bzw. wie die Bewertungsmodelle angepasst werden sollten, um den genannten Unsicherheiten Rechnung zu tragen. Um Risiken im Rahmen der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen, können Anpassungen bei den genannten, auf dem Kapitalwertkalkül beruhenden Unternehmensbewertungsmodellen sowohl im Zähler (zu bewertendes Ergebnis bzw. Zahlungsstrom) als auch im Nenner (Kapitalisierungszinssatz) erfolgen.

Auswirkungen auf den zu bewertenden Zahlungsstrom bzw. das zu bewertende Ergebnis

Grundsätzlich ist es üblich, aus der jüngsten Vergangenheit eines Unternehmens eine Zukunftsprognose abzuleiten. Aufgrund der Ereignisse der letzten Jahre liegen bei einer Vielzahl der Unternehmen die „typischen“ Geschäftsjahre aber einige Jahre zurück. Zudem kann es geboten sein, eine Veränderung des Geschäftsmodells oder des Marktumfelds zu berücksichtigen, so dass es nicht sinnvoll ist, aus der Vergangenheit auf die zukünftigen Jahre zu projizieren. Die Detailplanung eines Unternehmens stellt somit eine wesentliche Herausforderung für aktuelle Unternehmensbewertungen dar. 

Der Fachausschuss Unternehmensbewertung (FAUB) des IDW empfiehlt in seiner Stellungnahme vom 20.3.2022, vorgelegte Unternehmensplanungen im Hinblick auf die adäquate Berücksichtigung aktueller Unsicherheiten zu prüfen bzw. auf eine Berücksichtigung hinzuwirken oder diese als Bewerter ggf. selbst vorzunehmen. Zudem kann es hilfreich sein, bei der Aufstellung der Prognosen unterschiedliche Szenarien zu erstellen. Dabei kann es z.B. sinnvoll sein, die bisher angesetzten Zahlungsströme um staatliche Zuschüsse und Unterstützungsleistungen als außergewöhnliche Effekte in den Ist-Jahren zu bereinigen und in den Planungsjahren nicht zu berücksichtigen. Falls Branchen wie der Einzelhandel oder der Tourismussektor auch langfristig von den Folgen der Krise betroffen sind – z.B. aufgrund grundlegender Veränderungen im Konsumverhalten oder in den Absatzkanälen – sollten diese Effekte ebenfalls individuell analysiert und in die Planung einbezogen werden. In diesem Zusammenhang ist besondere Sorgfalt bei der Ableitung der ewigen Rente gefragt. Hier dürfte es sich anbieten, für die Detailplanungsphase eine entsprechende Länge zu wählen, bis der eingeschwungene Zustand eines Unternehmens erreicht ist.

Empfehlung: Insbesondere kleine oder mittlere Unternehmen führen häufig keine standardisierte Unternehmensplanung durch. Gerade in Zeiten, die mit großer Unsicherheit behaftet sind, kann eine solche Planung jedoch hilfreich sein. Dies gilt insbesondere, wenn eine Unternehmensnachfolge ansteht oder der Verkauf eines Unternehmens geplant ist. Eine standardisierte Planung ist auch die Grundlage für ein effektives Finanzierungs- und Liquiditätsmanagement.

Auswirkungen auf den Kapitalisierungszinssatz

Entscheidend für eine faire Unternehmensbewertung ist zudem die Ermittlung eines adäquaten Kapitalisierungszinssatzes. Die derzeit steigenden Zinsen führen tendenziell zu dessen Erhöhung und damit zu sinkenden Unternehmenswerten. In diesem Zusammenhang weist der IDW-Fachausschuss in seiner Stellungnahme vom 20.3.2022 darauf hin, dass bei langfristigen Zukunftserfolgswertverfahren (wie dem Ertragswertverfahren oder den DCF-Verfahren) Kapitalmarktdaten auch in Krisenzeiten anhand langfristiger Renditeanalysen bewertet werden sollten. Kurzfristige Ausschläge und mögliche Überreaktionen der Kapitalmärkte sind als vorübergehende und nicht zwangsläufig langfristige Stimmungsindikatoren zu betrachten. Das IDW sieht daher keine Notwendigkeit, die bisherige Methodik zur Ermittlung der Kapitalkosten anzupassen. 

Pauschale Risikoprämien auf den Kapitalisierungszinssatz werden seitens des IDW und auch seitens weiterer führender Stimmen in der Bewertungspraxis abgelehnt. Vielmehr seien die Risiken in der Planung und ggf. spezifischen Risikoszenarien zu berücksichtigen. Eine durch die Krise veränderte Verschuldungssituation des Unternehmens werde bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes abgebildet. Zudem sei bereits beobachtbar, dass sich bestimmte branchenspezifische Beta-Faktoren krisenbedingt verändern.

Fazit: Auswirkungen auf Transaktionen und Preise

Die o.g. Aspekte führen für Unternehmen, die beispielsweise aufgrund einer anstehenden Nachfolgeregelung unter Verkaufsdruck stehen, zunehmend zu Bewertungsproblemen. Die ermittelten Unternehmenswerte sind derzeit häufig auf dem Transaktionsmarkt nicht realisierbar. Daher ist wichtig, dass der Verkäufer eine realistische Preiserwartung entwickelt. Die im Rahmen der Unternehmensbewertung erstellten Szenarien können in den Kaufpreisverhandlungen wieder aufgegriffen werden. Aufgrund der aktuell unsicheren Marktsituation finden hierbei häufig Zahlungsmechanismen Anwendung, bei denen Teile des Kaufpreises zu einem späteren Zeitpunkt zu zahlen und diese Zahlungen an den Eintritt bestimmter Bedingungen geknüpft sind.

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